2. Jubiläumstour 45 Jahre Naturlandstiftung Saar

Erneuerbare Energien und Naturschutz – kein Gegensatz: Windpark Schiffweiler

Wie Naturschutz und erneuerbare Energien vereinbart werden können, erfuhren die über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der dritten Jubiläumstour der Naturlandstiftung Saar. Anlässlich ihres 45. Geburtstages lädt die Stiftung zu Touren im ganzen Saarland ein, um ihre vielfältige Arbeit für den Natur- und Umweltschutz an konkreten Projekten zu zeigen.

 

Im März stand am Beispiel des Windparks Schiffweiler das Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Windkraft im Vordergrund. Der Bau von sechs Windenergieanlagen, der auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stieß, und die daraus resultierenden Kompensationsmaßnahmen und Ausgleich des Landschaftsbildes sind ein Musterbeispiel für die Umsetzung erneuerbarer Energien. Die Ergebnisse der Umsetzung präsentierten der Vorsitzende der Naturlandstiftung Saar Umweltminister Reinhold Jost, der Kurator Roland Krämer zusammen mit dem technischen Geschäftsführer Eberhard Veith rund zweieinhalb Stunden einem interessierten Publikum - darunter auch der Bürgermeister von Schiffweiler Markus Fuchs, der Kreisbeigeordnete des Landkreises Neunkirchen Klaus-Dieter Woll sowie die beiden Ortsvorsteher Christina Baltes und Mathias Mauermann. Das Projekt wurde in enger Abstimmung mit den örtlichen Naturschutzverbänden umgesetzt, von denen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter an der Veranstaltung teilnahmen.

 

Für den Verlust von Naturflächen und als Ausgleich des Landschaftsbildes wertete das Tochterunternehmen der NLS, die Naturland Ökoflächen-Management GmbH (ÖFM), in unmittelbarer Nähe zur Windanlage rund 12 Hektar landwirtschaftlich intensiv genutzte Getreideäcker und Grünlandflächen naturschutzfachlich auf. Aus stark ausgeräumten artenarmen Flächen mit monotonem Bewuchs und hohem Düngemittel- und Pestizideintrag wurde so mageres, artenreiches Grünland. Dieses ist größtenteils an örtliche Landwirte prämienbehaftet verpachtet und wird von ihnen jetzt naturschutzfachlich extensiv bewirtschaftet. Um andere Teile der Landschaft dort offen zu halten, gibt es gemeinsam mit der LIK.NORD ein Beweidungsprojekt mit Galloway Rindern. Bei der Herde, die von Daniela Nau und Günter Kirsch betreut werden, gab es viele Kälbchen zu bestaunen.

 

Insgesamt wurden von der ÖFM 3.000 Gehölze wie Alleebäume, Hecken sowie 60 kulturhistorisch alte Apfel- und Birnbäume im Rahmen der Kompensationsmaßnahmen gepflanzt. Die neuen Hecken und Alleestrukturen dienen nicht nur als Betretungs- und Sichtschutz, sondern als Lebensräume für eine Vielzahl von Insekten, Kleinsäuger und verschiedenen Vogelarten. Jürgen Kautenburger, seitens der ÖFM für die Planung und die Realisierung des Projektes zuständig, erläuterte die verschiedenen genutzten Verfahren vom Regiosaatgut, über das Heudruschverfahren bis zum Heumahdverfahren, um für den windkraftsensiblen Rotmilan möglichst schnell weiter weg von den Windrädern mageres Grünland als Jagdrevier zu schaffen. Einen Überblick über die getroffenen Naturschutzmaßnahmen seitens der Windkraftanlagen gaben schließlich noch die beiden Geschäftsführer des Saarbrücker Anlagenbetreibers Enovos Renewables GmbH, Marc André und Michael Göke.

 

Nach vielen Fragen und den ausführlichen Informationen blieb nur kurz Zeit, um noch auf das Rückbauprojekt des ehemaligen Stülzehofes einzugehen. Direkt in der Nähe des letzten Windrades hat die ÖFM im Jahr 2020 die aufgegebenen Stallungen, Werkstätten und asphaltierten Wege komplett zurückgebaut. Insgesamt wurden 6.100 qm renaturiert und 2.700 qm Fläche entsiegelt – gefördert vom Umweltministerium als FERN Projekt mit 104.852,65 EUR. Nun ist hier nur noch eine Obstwiese mit 18 Solitären aus alten Sorten zu sehen.

Eberhard Veith (technischer Geschäftsführer), Roland Krämer (Kurator) und Umweltminister Reinhold Jost (Vorsitzender) präsentierten im Windpark Schiffweiler einen Aspekt der vielfältigen Arbeit der Naturlandstiftung Saar.

Eberhard Veith (technischer Geschäftsführer), Roland Krämer (Kurator) und Umweltminister Reinhold Jost (Vorsitzender) präsentierten im Windpark Schiffweiler einen Aspekt der vielfältigen Arbeit der Naturlandstiftung Saar.

Das Thema stieß auf großes Interesse bei den kommunalen Vertretern und den örtlichen Naturschutzverbänden.

Das Thema stieß auf großes Interesse bei den kommunalen Vertretern und den örtlichen Naturschutzverbänden.

Die Galloway Rinder halten als tierische Landschaftspfleger das Gelände offen.

Die Galloway Rinder halten als tierische Landschaftspfleger das Gelände offen.

2020 wurden die ehemaligen Stallungen des Stülzehofes komplett zurückgebaut.

2020 wurden die ehemaligen Stallungen des Stülzehofes komplett zurückgebaut.

Nachher: 2.700qm Fläche wurde entsiegelt und zurückgebaut. So sah die Fläche nach einem Jahr aus (Aug 2021)

Nachher: 2.700qm Fläche wurde entsiegelt und zurückgebaut. So sah die Fläche nach einem Jahr aus (Aug 2021)

Erneuerbare Energien und Naturschutz – kein Gegensatz in Schiffweiler

 Für den Windpark Schiffweiler, Neunkirchen/Saar, wurden Eigentumsflächen der ÖFM zwischen Schiffweiler und Ottweiler als Kompensation für den Bau von fünf Windenergieanlagen naturschutzfachlich aufgewertet. Der Bau der Windräder, der auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stieß und die daraus resultierenden Kompensationsmaßnahmen sind ein Vorbildprojekt für die Umsetzung erneuerbarer Energien. Die Anlagen generieren umweltfreundlichen Strom, die Flächen, auf denen sie stehen, wurden zur Betriebsfläche umgebaut. Für den Verlust von Naturflächen und als Landschaftsbildausgleich wertete die ÖFM in unmittelbarer Nähe zur Windanlage rund 12 Hektar landwirtschaftschaftlich intensiv genutzte Getreideäcker und Grünlandflächen naturschutzfachlich auf. Die stark ausgeräumten Flächen waren artenarm und wiesen einen monotonen Bewuchs auf. Schnittfrequenz sowie Düngemittel- und Pestizideintrag waren hoch.

 

Zur naturschutzfachlichen Aufwertung legte die ÖFM vielfältige Strukturelemente an. In die zuvor stark ausgeräumte Landschaft wurden insgesamt 3.000 Gehölze wie Alleebäume, Hecken sowie 60 Obstbäume gepflanzt. Die gepflanzten Hecken und Alleestrukturen dienen nicht nur als Betretungs- und Sichtschutz, sondern sollen als Vernetzungskomplexe die Ausbreitung einer Vielzahl von Tierarten begünstigen. Durch diese Maßnahmen sollen geeignete Lebensräume für Insekten und Kleinsäuger sowie für verschiedene Vogelarten zur Brut und Aufzucht bereitgestellt werden. Durch die Pflanzung kulturhistorisch alter Apfel- und Birnbäume mit regionaler Besonderheit wurde nicht nur eine Abgrenzung zur Nachbarparzelle geschaffen, sondern auch durch optische Reize eine weitere Aufwertung der Fläche erzielt und ein Landschaftsbildausgleich geschaffen. Als Beispiele für die gepflanzten Obstbäume sind neben dem im Saarland häufigen, sonst jedoch äußerst seltenen Tafel- und Wirtschaftsapfel „Luxemburger Renette“, die Koch- und Dörrbirnensorte „Trockener Martin“ zu nennen, die als historische Küchenfrucht aus Frankreich ins Saarland kam.

 

Aufwertung mit dem Rotmilan im Blick

Der Rotmilan ist eine windkraftsensible Art. Aufgrund seiner Jagdstrategie im Offenland (Suchflieger und Aasfresser) besteht beim Betrieb von Windenergieanlagen ein signifikant erhöhtes Verletzungs- und Tötungsrisiko. Da mehr als die Hälfte des gesamten Weltbestands des Rotmilans in Deutschland brütet, haben wir für die Erhaltung dieser Art eine besondere Verantwortung.


Um das Kollisionsrisiko zu verringern, wurde an anderer Stelle mageres Grünland als geeignete Fläche zur Jagd für den Rotmilan geschaffen. Um den Zielbestand eines standortangepassten mageren Grünlandes möglichst schnell zu erreichen und somit dem Rotmilan ein alternatives Nahrungshabitat zu bieten, wurde das Heumulchverfahren angewandt: Dazu wird das frische Mahdgut, das von einer vergleichbaren artenreichen, mageren Spenderfläche stammt, in Form einer Mulchdecke auf die Empfängerfläche aufgetragen. Nach dem Zersetzen der Mulchdecke keimen dann die Samen bzw. Wurzelstücke aus dem Heumulchmaterial ohne starke Wuchskonkurrenz zu haben. Das ausgebrachte Mahdgut nährt und schützt den Boden. Im Rahmen der Renaturierung wurde zunächst der Nährstoffgehalt der überdüngten Fläche durch wiederholtes Mähen und darauffolgende Abfuhr des Schnittgutes ohne erneutes Düngen vermindert – der Boden wurde ausgehagert. Die neue Fläche wird nun 2-3 mal im Jahr gemäht, was ausreichend niedrigwüchsige Bereiche im Frühjahr zur Folge hat.

Für den Rotmilan, der zuvor in unmittelbarer Nähe zum Windpark seine Nahrung fand, steht hier nun ein optimales Nahrungshabitat in sicherer Entfernung zu den Windrädern zur Verfügung. Das nun extensiv genutzte Grünland beherbergt eine Vielzahl von unterschiedlichen Insekten und weitere am Boden lebende Tierarten in einer hohen Arten– und Individuendichte, die bei intensiv genutzten Flächen so nicht erreicht werden kann. Hiervon profitieren auch bodenbewohnende Kleinsäuger, deren Nahrungsangebot deutlich verbessert wird, so dass auch bei dieser Artengruppe von einer Arten- und Populationssteigerung auszugehen ist.

Nach Abschluss der Kompensationsmaßnahmen finden sich hier extensiv bewirtschaftete Magerwiesen mit hoher Biodiversität und einem heterogenen, strukturreichen Landschaftsbild. Die Maßnahmen wurden in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Naturschutzgruppen, insbesondere der NABU-Ortsgruppe Schiffweiler abgestimmt.

 

Fern-Rückbauprojekt Stülzehof

Ebenfalls bei Schiffweiler hat die ÖFM im Jahr 2020 Stallungen des ehemaligen Stülzehofes, zwischen Stennweiler und Ottweiler, komplett zurückgebaut. Früher als Hühnerstall und anschließend zur Schweineaufzucht genutzt, wurde der Hof vor mehreren Jahren aufgegeben.

Von den Stallungen, Werkstätten und asphaltierten Wegen ist heute nichts mehr zu sehen - das gesamte Gelände wurde renaturiert und eine magere Obstwiese mit 18 Obstbaumsolitären aus alten Sorten angelegt. Auf dem 6.100 m2 großen Gelände wurden insgesamt 2.700 m2 Fläche entsiegelt. Das Rückbauprojekt wurde vom Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz aus Mitteln des saarländischen Programmes zur „Förderung von Maßnahmen zur Flächenentsiegelung und Renaturierung (FERN)“ mit 104.852,65 € unterstützt. Gefördert wurden der Erwerb der Grundstücke einschließlich der baulichen Anlagen, die mit dem Projekt verbundenen Planungs-, Abriss- und Rückbauarbeiten, die fach- und umweltgerechte Entsorgung des Abrissmaterials sowie die Renaturierungsmaßnahmen.

 

Die Arbeit der ÖFM

Die ÖFM wurde 1998 als 100%ige Tochter der Naturlandstiftung Saar gegründet, um die Maßnahmen des Naturschutzes im Rahmen des Ökokontos und von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen umzusetzen. Die ÖFM wertet Flächen von geringer ökologischer Bedeutung auf und stellt so wertvolle Lebensräume (wieder) her. Sie renaturiert Fließgewässer, öffnet versiegelte Flächen und baut Industriebrachen zurück. Sie wandelt Nadelholzforste in standorttypische Laubwälder um, wirkt der Zersiedlung der Landschaft durch Rückbau landschaftsfremder Elemente entgegen und setzt auf erneuerbare Energien wie Windkraft und Fotovoltaik.

 

Was ist FERN?

Auf Anregung von Dr. Rainer Wicklmayr, dem mittlerweile verstorbenen Ehrenvorsitzenden der Naturlandstiftung Saar, wurde 2008 bis 2011 vom Umweltministerium des Saarlandes das Förderprogramm LENA (Landschaft entsiegeln – Natur aktivieren) aufgelegt, das den Rückbau landschaftsfremder Elemente und aufgegebener Anlagen in der freien Landschaft bezuschusste. Denn solche Rückbauprojekte sind ohne Förderung wirtschaftlich nicht zu realisieren, da die freiwerdenden Flächen wieder der Natur zur Verfügung stehen sollen und nicht „vermarktet“ werden können. Im Haushaltsjahr 2013 hat das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit dem Landesprogramm FERN ein vergleichbares Programm aufgelegt.

Die ÖFM verfügt saarlandweit über sehr große Erfahrungen mit solchen Rückbaumaßnahmen. Sie hat im Rahmen von LENA bereits zwei Aussiedlerhöfe (Grünlandhof bei Bosen, Birkenhof in der Losheimer Bachaue bei Nunkirchen) beseitigt und im Rahmen von FERN den kompletten Wohn- und Versorgungsbereich der ehemaligen NATO-Raketenbasis bei Reitscheid (Gemeinde Freisen), einen Aussiedlerhof in Alsweiler sowie Wochenendgrundstücke in Dirmingen und Welschbach zurückgebaut.

Unabhängig von LENA und FERN hat die ÖFM eine ganze Reihe weiterer Anlagen in der freien Landschaft zurückgebaut, entsiegelt und renaturiert: z. B. zwei aufgegebene Campingplätze, zwei Wochenendgrundstücke, ein Dutzend Teichanlagen mitsamt den baulichen Anlagen, die Betriebsgebäude von drei Industriebrachen sowie eines aufgelassenen Steinbruchs, die Gebäude in einem ehemaligen Wildgehege sowie das Kohlwaldstadion in Landsweiler-Reden. Die ÖFM hat so einen wertvollen Beitrag geleistet, unzerschnittene Landschaftsräume wiederherzustellen und die negative Flächenbilanz beim Flächenverbrauch im Saarland abzumildern.

 

Weitere Termine der Tour zu anderen spannenden Themen wie die Naturwacht Saarland, Schaffung von Naturräumen durch Bodenentsiegelung, Ökologischer Ausgleich oder Grenzüberschreitender Naturschutz finden Sie hier.

 

Es wurden insgesamt 3.000 Gehölze wie Alleebäume, Hecken sowie 60 Obstbäume gepflanzt.

Es wurden insgesamt 3.000 Gehölze wie Alleebäume, Hecken sowie 60 Obstbäume gepflanzt.

Hier findet der Rotmilan nach der Mahd nun ausreichend Nahrung in sicherer Entfernung zu den Windrädern.

Hier findet der Rotmilan nach der Mahd nun ausreichend Nahrung in sicherer Entfernung zu den Windrädern.