4. JUBILÄUMSTOUR DER NATURLANDSTIFTUNG SAAR MACHT STATION ZWISCHEN KERLINGEN UND BEDERSDORF

AUSGLEICHSMAßNAHMEN FÜR LISDORFER BERG ZEIGEN SCHNELL GEWÜNSCHTEN ERFOLG

Wenn ein Industriegebiet, ein neues Schwimmbad, eine Straße oder selbst ein Radweg gebaut wird, ist die Natur betroffen. Dafür muss laut Gesetz mit Ausgleichsmaßnahmen angemessener Ersatz geschaffen werden. Ein Beispiel, wie dadurch wirklich wertvolle Natur „geschaffen" werden kann, zeigte die Naturlandstiftung Saar (NLS) Ende April mit ihrer ökologischen Ausgleichsmaßnahme zwischen Kerlingen und Bedersdorf. Anlässlich ihres 45. Geburtstages lädt die NLS zu Touren im ganzen Saarland ein, um ihre vielfältige Arbeit für den Natur- und Umweltschutz an konkreten Projekten zu zeigen.

 

Am vierten Tourtermin stand das Thema Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe durch Gewerbegebiete und Straßenbau im Fokus, die für den Ausbau des Industriegebiet Lisdorfer Berg nötig wurden. Dieses Großprojekt wurde von dem Tochterunternehmen der NLS, der Naturlandflächen Ökoflächen-Management GmbH (ÖFM), mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen auf dem Saar-Nied-Gau umgesetzt. Insgesamt wurden für den Verlust von 37 ha durch das Industriegebiet, Flächen von über 80 ha fachkundig renaturiert und ökologisch aufgewertet. Zwischen Kerlingen und Bedersdorf konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Umweltministerin Petra Berg, dem Direktor des Landesbetriebs für Straßenbau (LfS), Werner Nauerz, dem Kurator der Naturlandstiftung Saar, Roland Krämer, und ihrem technischen Geschäftsführer Eberhard Veith vor Ort 16 verschiedene Maßnahmentypen besichtigen. „Unsere saarländische Kulturlandschaft mit ihrer hohen Biodiversität und seltenen Arten ist wesentlich durch landwirtschaftliche Nutzung entstanden. Sie kann nur durch landwirtschaftliche Nutzung, die auch ökologische Aspekte berücksichtigt, erhalten bleiben“, so Umweltministerin Petra Berg „Die hier durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen zeigen mir, dass die Naturlandstiftung als verlässlicher Partner nachhaltig arbeitet und ihr Handwerk versteht. Ich freue mich sehr auf unsere künftige Zusammenarbeit.“ Roland Krämer freute sich, dass die neue Umweltministerin, diesen Termin für ihren ersten öffentlichen Auftritt wählte und sah darin eine besondere Wertschätzung der Arbeit der NLS. Auch Horst Trenz, der Bürgermeister von Wallerfangen, die Ortsvorsteher von Kerlingen, Bedersdorf und Ihn-Leidingen sowie zahlreiche Vertreter von NABU und BUND waren der Einladung gefolgt.

 

Das Ergebnis des unabhängigen Monitorings über drei Jahre und die schnelle Akzeptanz der Zielarten übertraf alle Erwartungen: Mit 40 Brutvogelarten, 37 Nahrungsgästen und 37 Durchzüglern bzw. Rastvögeln wurde im Gebiet eine sehr artenreiche Brutvogelfauna nachgewiesen. Bereits nach einem Jahr konnten zwei Reviere des Rebhuhns kartiert werden, einer der wichtigsten Zielarten der Maßnahmen. Auch die Feldlerche zeigt hier hohe Dichten. Bemerkenswert sind die zwei bis drei Reviere des Raubwürgers, der im Saarland und deutschlandweit vom Aussterben bedroht ist - im Projektgebiet kommen damit rund die Hälfte des saarländischen Bestandes dieser Vogelart vor.

 

Erreicht wurde dieses eindrucksvolle Ergebnis durch ein intelligentes Nutzungsmosaik von vernetzten Maßnahmen, die auf die einzelnen Bedürfnisse jeder Zielart im Laufe der Jahreszeiten abgestimmt wurden: z.B. durch ein extensiviertes Ackermanagement mit verringerter Saatgutdichte, Stoppeln, Brachen und sogenannten Feldlerchenfenstern (ausgesparte Bereiche für Bodenbrüter). Auch wurden Gehölzstrukturen, Lesesteinhaufen (für Reptilien und als Sitz- und Jagdwarte für Vögel), Blühstreifen, artenreiche Mager- und Streuobstwiesen sowie Flachwasserzonen angelegt. Bewirtschaftet werden die Flächen von denselben örtlichen Landwirten wie zuvor – jedoch etwas extensiver und orientiert an den Zielarten. Die so erreichte hohe landschaftsökologische Bedeutung der Flächen beweist, dass die speziell aufgearbeiteten Artenschutzmaßnahmen auch bei Insektenund Reptilien den gewünschten Erfolg gebracht haben. „Wir sind stolz darauf an diesem Beispiel zu beweisen, dass ökologische Ausgleichsmaßnahmen Sinn machen und dass man ökologische Aspekte in die landwirtschaftliche Nutzung integrieren kann, ohne die Landwirtschaft zu sehr einzuschränken,“ stellt Eberhard Veith von der NLS heraus.

 

Abgerundet wurde dieses Mosaik durch freiwillige, vom Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) finanzierte Naturschutz-Maßnahmen wie ein Fledermausquartier und zusätzliche Tümpel und Flachwasserzonen.

 

Hintergrundinformationen

Im Zuge der Ausweisung des Lisdorfer Bergs als Industriegebiet wurde 2012 die ÖFM mit einem Großprojekt beauftragt. Mit dem Ausbau des Lisdorfer Bergs als Industriegebiet wurden große extensiv genutzte Offenlandflächen zerstört. Insbesondere viele brütende und rastende Vogelarten verloren dadurch ihren Lebensraum und Rastplatz. Zur Kompensation des Verlustes dieser landschaftsökologisch wertvollen Lebensräume, Strukturen und ihrer Funktionen hat die ÖFM in den darauffolgenden Jahren auf dem Saar-Nied-Gau ein ganzes Bündel von Maßnahmen umgesetzt. Außergewöhnlich ist, dass diese Maßnahmen sofort von den Zielarten angenommen wurden – was ein freiwilliges Monitoring über 3 Jahre belegte.

Die größten Kompensationsmaßnahmen wurden auf den intensiv genutzten Ackerflächen zwischen Kerlingen und Bedersdorf durchgeführt: auf insgesamt 56 ha wurden 16 verschiedene Maßnahmentypen umgesetzt – neben der Extensivierung der Ackernutzung wurden auch Strukturen und Lebensräume in der weitgehend ausgeräumten Feldflur neu geschaffen.

 

 

Maßnahmen zwischen Kerlingen und Bedersdorf

Fläche (ha)

Länge (m)

 

Extensives Ackermanagement mit Auflagen

22,7

 

 

Verzögerte Stoppelbearbeitung, Schaffung einer Schollenstruktur

21,2

 

 

Anlage einer Rebhuhn gerechten Kombinationsbrache

1,0

 

 

Neuschaffung extensiver Wiesenflächen

30,3

 

5.

Anlage von Alleen mit Hochstamm-Obstbäumen

 

850

6.

Pflanzung von 24 Hochstamm-Obstbäumen am Flächenrand

 

 

7.

Pflanzung von 23 Hochstamm-Obstbäumen auf der Fläche

 

 

 

Anlage von Streuobstwiesen

0,9

 

9

Anlage mehrjähriger Blühstreifen

1,2

2.232

10

Extensive Wiesennutzung

23,3

 

11

Extensive Weidenutzung

18,7

 

12

Anlage von 3 Flachwasserzonen

 

 

13

Anlage von 45 Lesesteinhaufen

 

 

14

Anlage einer Wacholder-Heide (NABU)

5,0

 

15

Entwicklung von Heckenstrukturen

0,1

 

16

Entwicklung einer Quellstruktur

0,1

 

 

Alle Maßnahmen orientierten sich dabei an den Vorgaben der Landesplanung, wie sie im Landschaftsprogramm Saarland und im Landesentwicklungsplan (LEP) Umwelt aufgeführt sind:

Die Ackernutzung wird auf insgesamt 23 ha extensiviert mit den folgenden Auflagen: Verbot von Maisanbau, Verzicht auf mineralische Düngemittel, mechanische Unkrautbekämpfung und Pestizid-Einsatz. Die Saatgutdichte wird verringert (auf 70%) und pro Hektar werden etwa 25 qm große sogenannte Feldlerchenfenster in der Ackerfläche angelegt, also auf eine Aussaat verzichtet. Diese ausgesparten Bereiche bieten Bodenbrütern wie Feldlerchen und Goldammern einen geschützten Brutplatz. Durch dieses Ackermanagement wird die Nahrungs- und Lebensraumsituation der Feldflora und -fauna deutlich verbessert. Außerdem wurde eine 1 ha große Brachfläche für Bodenbrüter, insbesondere für das Rebhuhn angelegt. Die Fläche wird alle 3-5 Jahre jeweils zur Hälfte gemulcht, um den Gehölzaufwuchs zu verhindern. Nach der Ernte bleibt die Hälfte der Äcker bis zum nächsten Frühjahr auf der Stoppel stehen, um das Nahrungsangebot u.a. für rastende Zugvögel zu erweitern. In den Randbereichen wurden auf einer Länge von etwa 2,2 km circa 5 m breite mehrjährige Blühstreifen angelegt, die insbesondere Wildbienen und anderen Insekten eine reichhaltige Blütenauswahl bieten. Sie verbessern zudem das Nahrungs- und Deckungsangebot für viele Feldtiere und vernetzten Teillebensräume miteinander. Dass eine Extensivierung der Landwirtschaft nicht unbedingt einen Verlust für die Landwirtschaft darstellt, zeigt sich hier auch daran, dass die Bewirtschaftung in der Hand desselben Landwirtes blieb, der auch zuvor die Flächen bewirtschaftete.

Rund 30 ha - ehemals vorwiegend als Maisacker genutzte - Ackerflächen wurden mittels Heumulchsaat in artenreichen Magerwiesen umgewandelt, die durch die Pflanzung von knapp 50 regionaltypischen Apfel- und Birnenbäume ergänzt wurden. Die Wiesen stellen sich bereits nach wenigen Jahren als buntblumige und kräuterreiche Flächen dar, mit einem hohen Anteil an lebensraumtypischen Wiesenarten mit charakteristischen Tierarten (Feldlerche, Wiesen-Grashüpfer, Schachbrettfalter). Die Streuobstwiesen und die Allee mit Hochstamm-Obstbäumen dienen ebenso als Sitz- und Jagdwarte für Vögel wie die 45 Lesesteinhaufen aus Kalksteinen, die zudem noch die Reptilienfauna fördern. Außerdem wurden mehrere temporäre Flachwasserzonen und durch den NABU eine Wacholder Heide angelegt sowie eine Quellstruktur entwickelt.

Ein von der ÖFM beauftragtes, freiwilliges Monitoring, das von 2015 bis 2018 vom Büro Milvus durchgeführt wurde, gibt Aufschluss über den schnellen Erfolg der Maßnahmen. Das Ergebnis des Monitorings und die schnelle Akzeptanz der Zielarten übertraf alle Erwartungen. Besonders die Maßnahmen im Bereich der großen Ackerkomplexe zeigten die erhofften Effekte. Es konnten insgesamt 114 Vogelarten nachgewiesen werden. Mit 40 Brutvogelarten, 37 Nahrungsgästen und 37 Durchzüglern bzw. Rastvögeln beherbergt das Gebiet eine sehr artenreiche Brutvogelfauna des Offenlandes. Bereits nach einem Jahr konnte vom Rebhuhn, einer der wichtigsten Zielarten der Maßnahmen, zwei Reviere kartiert werden. Auch die Feldlerche zeigt hohe Dichten in diesem Bereich. Bemerkenswert sind die zwei bis drei Reviere des Raubwürgers, der im Saarland und deutschlandweit vom Aussterben bedroht. Somit kommen im Projektgebiet rund die Hälfte des saarländischen Bestandes dieser Vogelart vor. Hervorzuhaben ist auch die Grauammer mit drei Revieren. Das sind 30% der westsaarländischen Grauammer-Population. Auch Wachtel, Turteltaube und Wendehals finden sich auf den Projektflächen und die hohen Brutpaarzahlen von Neuntöter, Bluthänfling oder Goldammer bestätigen die hohe landschaftsökologische Bedeutung der Flächen im Projektgebiet und beweisen, dass die speziell aufgearbeiteten und umgesetzten Artenschutzmaßnahmen auch den gewünschten Erfolg gebracht haben.

2017 wurden die mehrjährigen, fünf Meter breiten Blühstreifen untersucht. Neben neun Heuschreckenarten konnten 21 Tagfalter beobachtet werden. Die Fortpflanzung konnte z.B. beim Schwalbenschwanz oder beim Kurzschwänzigen Bläuling nachgewiesen werden.

Im Zuge der Kompensation des Industriegebietes Lisdorfer Berg wurden durch die ÖFM noch weitere Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle durchgeführt: die Freistellung zugewachsener Obstwiesen bei Berus auf 1,2 ha, die Freistellung und spätere Beweidung von 18 ha des Steinbruchs Sauberg bei Felsberg sowie die Renaturierung des Oligach-Quellgebietes bei Gerlfangen durch Rückbau eines Tiergeheges, sämtlicher Gebäude und Anlagen auf einer 6,2 ha großen Fläche. Insgesamt wurden für den Verlust von 37 ha für das Industriegebiet, Flächen von über 80 ha renaturiert.

 

v.l.n.r.: Werner Nauerz (LfS), Eberhard Veith und Roland Krämer (beide Naturlandstiftung Saar), Umweltministerin Petra Berg und Bürgermeister Horst Trenz.

v.l.n.r.: Werner Nauerz (LfS), Eberhard Veith und Roland Krämer (beide Naturlandstiftung Saar), Umweltministerin Petra Berg und Bürgermeister Horst Trenz.

Dank der Unterstützung des LfS konnten zusätzliche Tümpel als Lebensraum für Amphibien und Libellen sowie als Nahrungsplatz von Zugvögeln geschaffen werden.

Dank der Unterstützung des LfS konnten zusätzliche Tümpel als Lebensraum für Amphibien und Libellen sowie als Nahrungsplatz von Zugvögeln geschaffen werden.

Rolf Klein, vom Planungsbüro Milvus, erläutert den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Ergebnisse des Monitorings.

Rolf Klein, vom Planungsbüro Milvus, erläutert den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Ergebnisse des Monitorings.

Sogenannte Feldlerchenfenster sind in der Ackerfläche angelegt. Diese ausgesparten Bereiche bieten Bodenbrütern wie Feldlerchen und Goldammern einen geschützten Brutplatz.

Sogenannte Feldlerchenfenster sind in der Ackerfläche angelegt. Diese ausgesparten Bereiche bieten Bodenbrütern wie Feldlerchen und Goldammern einen geschützten Brutplatz.

Die Arbeit der ÖFM

Die ÖFM wurde 1998 als 100%ige Tochter der Naturlandstiftung Saar gegründet, um die Maßnahmen des Naturschutzes im Rahmen des Ökokontos und von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen umzusetzen. Die ÖFM wertet Flächen von geringer ökologischer Bedeutung auf und stellt so wertvolle Lebensräume (wieder) her. Sie renaturiert Fließgewässer, öffnet versiegelte Flächen und baut Industriebrachen zurück. Sie wandelt Nadelholzforste in standorttypische Laubwälder um, wirkt der Zersiedlung der Landschaft durch Rückbau landschaftsfremder Elemente entgegen und setzt auf erneuerbare Energien wie Windkraft und Fotovoltaik.

Nach dem Bundesnaturschutzgesetzt müssen unvermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaft durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ausgeglichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder in sonstiger Weise kompensiert werden (Ersatzmaßnahmen). Die Eingriffsregelung hat zum Ziel, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes auch außerhalb der besonderen Schutzgebiete zu erhalten. Zu den häufigsten Eingriffstypen zählen Siedlungs- und Verkehrswegebauten. Eine Kompensation setzt voraus, dass die beeinträchtigten Funktionen in gleichwertiger Weise ersetzt, also die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes und das Landschaftsbild gleichartig wieder hergestellt werden.

 

Kooperation mit dem LfS

Mit dem Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) arbeitet die ÖFM im Bereich der naturschutzfachlichen Ausgleichsmaßnahmen bei größeren Verkehrsvorhaben seit 1999 vertrauensvoll und eng zusammen. Neben diesen gesetzlichen Vorschriften engagiert sich der LfS auch weit darüber hinaus seit 2009 in Umweltprojekten aktiv für den Naturschutz, die Artenvielfalt und dem Erhalt der Flora und Fauna des Saarlandes. Seit 2018 werden pro Jahr im Schnitt 10-12 solcher Umweltprojekte in Kooperation mit der Naturlandstiftung Saar realisiert. Es handelt sich um freiwillige, vom LfS finanzierte Naturschutz-Maßnahmen z.B. die Wiederansiedlung von Knoblauchkröten und Weißstörchen, Erhalt von Orchideenwiesen, Gewässerrenaturierungen und Biotoppflege.

Zwei solcher Maßnahmen sind auch dank der Unterstützung des LfS in Bedersdorf im Maßnahmenkomplex zusätzlich eingebettet worden. Ein Fledermausquartier für die Große Hufeisennase, Wimperfledermaus und das Graue Langohr wurde im Dachstuhl des ehemaligen Schafstalls eingerichtet und zusätzliche Tümpel als Lebensraum für Amphibien und Libellen sowie als Nahrungsplatz von Zugvögeln geschaffen.

Der LfS ist seit 2017 Mitglied im Stiftungsrat der Naturlandstiftung Saar - vertreten durch Herrn Werner Nauerz.